Road to Lhasa, Foshan nach Chutsenkha, 61 km, 980 Höhenmeter
Von meiner ersten Tibetradtour 2011 habe ich Horrorszenarien im Kopf, was die Einreise nach Tibet angeht. Wir wurden bei Einreise am Flughafen Lhasa ausführlich befragt, eine unfreundliche und rigorose Polizistin warf einen ausführlichen Blick auf unser Gepäck, es dauerte fast eine Stunde und mehrere telefonische Nachfragen, bis wir den Flughafen verlassen durften.
Diese Szenario spukt natürlich immer noch in meinem Kopf und als ich den Checkpoint am Ortausgang von Foshan sehe, rutscht mir das Herz in die Hose. Dann die Überraschung: Ein freundlicher junger Mann in Uniform bittet uns höflich, kurz zu warten, Sonam, unser tibetischer Reiseleiter kommt mit dem Tibetpermit und unseren Pässen, der Polizist bekommt eine Kopie vom Tibetpermit und winkt uns dann durch.
Den ganzen Tag radeln wir durch das enge, wilde Mekongtal, die Straße ist leidlich gut, der Wind kommt von hinten und am späten Mittag sind wir nur noch zehn Kilometer von unserem Zielort, Chutsenkha, entfernt. Nach Tibet sind wir durch ein kleines Schmucktor eingeradelt, auf dem „Willkommen in Tibet“ steht. Vor Naxi, unserer Mittagstation kommt allerdings noch der eigentliche Checkpoint. Auch hier herrscht entspannte Freundlichkeit. 20 Minuten wird es dauern, sagt der rundliche Polizist mit Dauergrinsen im Gesicht. Nach 15 Minuten geht die Schranke hoch und wir sind tatsächlich offiziell in Tibet! Die ersten geführte deutsche Radgruppe überhaupt, die auf diesem Weg nach Lhasa radelt, der so lange für Ausländer gesperrt war.
Nach einem leckeren Mittagessen steht noch einen kleine Bergprüfung an, dann Schussfahrt zum Mekong, über die Brücke und auf der anderen Seite steil wieder nach oben. Wir lieben unsere E-Bikes, die uns auch die steilsten Rampen entspannt nach oben bringen!
Die Chefin des Hotels (mit einem Swimmingpool unter dem Dach, mit Thermalwasser!) ist aus dem Häuschen, als sie uns sieht, möchte unbedingt ein Gruppenfoto mit uns vor der Rezeption und fährt nach einer kurzen Pause mit mir in den Großmarkt, um für das Abendessen einzukaufen. Sie kommt aus Kunming, ihr Mann wurde von Peking nach Lhasa versetzt, da wollte sie nicht mit und dies hier sei der Kompromis: Ein Freund hätte dieses Hotel gebaut, hatte dann aber keine Lust, es zu führen und ging lieber auf ausgedehnte Reise quer durch China. Zuvor fragte er, ob sie nicht Lust hätte, das Hotel zu managen. Lange Rede, kurzer Sinn: Seit sechs Jahren leitet sie nun die Herberge und ist eigentlich ganz zufrieden, nur dieses Jahr kommen wenige Gäste. Das wird sich aber ändern, erzählt sie mir: Im Mekong-Tal werden zwei neue Staudämme gebaut und Chutsenkha wird wohl die Logistikbasis. Das ist natürlich gut für das Geschäft.
Nach dem Einkauf gönne ich mir ein Bad mit Ausblick auf den Mekong, das Thermalwasser tut meinem lädierten Rücken gut.
Tiefenentspannt komme ich zum Abendessen, wo mich Sonam mit ernsten Gesicht empfängt: Wir müssten das Hotel wechseln, die örtliche Polizei würde einen Übernachtung in unserem Hotel nicht erlauben. Derweil hat die Chefin den Leiter des örtlichen Fremdenverkehrsbüros an der Strippe, der das für Schwachsinn hält. „Sogar ein Homestay wäre möglich!“, erzählt mir nach dem Gespräch unsere sichtlich aufgebrachte Gastgeberin. Aber wenn die lokale Polizei etwas entscheidet, hilft leider keine Diskussion, wir müssen umziehen. Nach dem Abendessen packen wir schnell unsere Sachen zusammen, rauschen mit den Rädern zurück ans Mekongufer und staunen nicht schlecht: Unser neues Hotel ist ein neu gebauter Nobelschuppen mit Thermenwelt im Außenhof.
Auch wenn es uns um unserer nette Gastgeberin Leid tut: Wir genießen das Upgrade und gönnen uns eine Flasche Rotwein, die Georg spendiert hat, in einer kreisrunden, mit Kissen ausstaffierten Betoninsel im Hotelteich. Die Restaurantchefin gesellt sich zu uns und gönnt uns noch eine kleine Weinprobe mit lokalem Wein. Das Hotel gehört zu der Weinkellerei vor Ort und es würde uns nicht wundern, wenn der Besitzer einen guten Draht zur lokalen Polizei hätte.